Trotz aller Covid-19 Widrigkeiten war es für mich eine spannende Saison. Neujahr verbrachte ich in Melbourne, wo ich mit Jaimee, einer Australierin 49er FX segelte. Ich hatte mich gerade der olympischen Skiff-Klasse verschrieben. Als ich aus Australien wiederkam, änderte sich das jedoch schnell.
Bereits vor Weihnachten 2019 hatte Max Gurgel, mehrfacher Deutscher Meister in der ORC Klasse, mich gefragt, ob ich mit ihm das Qualifikationsevent des DSV für die Doublehand Mixed Offshore WM segeln wollte. Max kannte ich aus meiner Nacra 17-Zeit, wo er per Laser Scan unsere Boote vermessen hatte. Leider fing kurz nach meiner Ankunft in Deutschland der Lockdown an, sodass das Quali-Event erstmal verschoben und später als Reaktion auf die Absage der WM ebenfalls abgesagt wurde.
Anfang Mai durften wir endlich wieder segeln. Also fingen Max und ich an, auf der L30 von Rasmus Töpsch für die Baltic 500 Challenge, eine von Rasmus initiierte Doublehand Regatta, die über Himmelfahrt stattfinden würde, zu trainieren. Gut, dass wir Doublehand segelten, da wegen der Kontaktbeschränkungen nicht mehr als zwei Leute auf einem Schiff erlaubt waren.
Die Baltic 500 war eine unglaubliche Erfahrung für mich, sodass ich mich anschließend entschied, mich voll aufs Offshoresegeln zu konzentrieren und das Jollensegeln erstmal an den Nagel zu hängen.
Max und ich fingen dann an, unsere Olympiakampagne für „Two Person Mixed Offhore Keelboat“ 2024 in Marseille zu planen. Weil wir uns sehr gut ergänzen und in unserem Team die unterschiedlichsten Fähigkeiten zusammenbringen, starten wir seitdem unter dem Namen „Vmax Mixed“. „Vmax“ steht für maximale Geschwindigkeit, nach Max Yachtoptimierungs-Unternehmen „Vmax Yachting“.
Im Juni segelten wir eine Full Crew- und eine Doublehand-Regatta im Yachtclub Langballigau, die zwar deutlich kürzer als das voraussichtliche olympische Format waren, aber für uns gutes Regatta-Training. Das Olympische Format soll nach aktuellem Stand aus einer Wettfahrt bestehen, in der wir über vier Tage und drei Nächte 250-500nm (nautische Meilen) absegeln. Gesegelt wird auf One Design Schiffen von 30 Fuß Länge, wie zum Beispiel der L30, auf der wir aktuell trainieren. Möglich wäre aber zum Beispiel auch die Dehler 30, ein sehr spannendes Schiff, das Max zuletzt sogar singlehanded beim Silverrudder gesegelt ist.
Seit Juli findet jeden Monat ein DSV Doublehand Offshoretraining mit Tim Kröger als Coach über 160-200nm statt. Dafür sind wir immer ca. 24-36h unterwegs und, da es Training für deutlich längere Strecken ist, wechseln wir uns jeweils mit Schlafen und Wachen ab. Bei einer Regatta dieser Länge würden wir beide die ganze Zeit über 100% geben. Im Juli beim allerersten Training waren wir das einzige Team und konnten somit nur gegen unser Polardiagramm segeln. Seitdem sind aber ein paar Teams dazugekommen und es ist jedes Mal eine tolle Veranstaltung, durch die wir mehr und mehr Routine an Bord und vor allem mit unserer Schlafstrategie bekommen.
Ansonsten trainieren wir selbstständig, haben uns für ein paar Tage sogar Jörg Riechers als Coach dazugeholt. Jörg ist momentan in der französischen Class 40 Szene aktiv und wurde beim Mini Transat 2017 2. der Proto-Wertung. Natürlich trainieren wir nicht nur auf dem Wasser, sondern arbeiten an Land auch mit einem Fitnessstudio, dem FIT Kiel zusammen, wo wir von Simon, einem Sportwissenschaftler und Schlafcoach, der seine Bachelorarbeit über Seekrankheit geschrieben hat, betreut werden. Ansonsten galt und gilt es für mich immer noch, so viel wie möglich über Navigation und Routing zu lernen. Hierfür habe ich die Programme Expedition und Adrena kennengelernt, mit denen wir anhand von Grib-Dateien und dem Polardiagramm und Sailchart von unserem Boot elektronisch Roadbooks für unsere Routen, sowohl für Regatten als auch Trainings erstellen. Auf dem Wasser müssen wir dann diese Routenvorschläge mit dem, was draußen tatsächlich passiert, abgleichen. Denn wie jeder weiß, sind die Wettervorhersagen nicht immer zu 100% richtig. Um in diesen Einschätzungen immer besser zu werden, bedarf es vieler Wasserstunden oder „Meilen“, wie wir unter Offshore-Seglern sagen und Auseinandersetzung mit dem Wetter. Hier hilft uns Sebastian Wache von Wetterwelt mit Briefings vor und nach unseren Rennen und Trainings.
Ende August startete ich mit Rasmus bei der EUROSAF Doublehand Mixed Offshore Europameisterschaft, die auf gecharterten L30 ausgetragen wurde. Aufgrund der begrenzten Zahl der Boote nahmen nur 8 Teams teil. Dadurch war aber die Konkurrenz umso stärker. Wir traten gegen mehrfache Olympiamedaillen-Gewinner und Weltumsegler, sowie weitere Offshore-Segellegenden an. Am Ende reichte unsere knappe Vorbereitung für Platz 5.
Direkt im Anschluss segelten Max und ich die Kieler Woche. Hier segelten wir, wie sonst auch, mit ORC Wertung gegen unterschiedliche Bootstypen. Da (vermutlich wegen Corona und der absurd hohen Nachmeldegebühr) nur fünf Schiffe an den Start gingen, wurde es leider keine Deutsche Meisterschaft. Mit einem zweiten Platz waren wir am Ende trotzdem zufrieden. Wenn man gegen unterschiedliche Boote segelt, die bei unterschiedlichen Bedingungen ihre Stärken haben, ist bei bestimmten Kursen einfach nicht mehr drin.
Nur fünf Tage nach der Kieler Woche segelte ich meine erste Einhand Regatta – die „Silverrudder – Challenge of the Sea“. Mit nur sehr wenig Vorbereitung startete ich etwas blauäugig mit einer alten Mini 6.50, die wir nur durch ein Tauwerk Sponsoring von FSE Robline in letzter Minute noch regattafertig machen konnten. Das Rennen rund Fünen selbst war dann mit viel Strom, wenig Wind, Nebel und extrem kalten zwei Nächten eine sehr intensive Erfahrung für mich und eine tolle Abschlussregatta der Saison 2020.
Diese Saison macht mich definitiv hungrig auf mehr. Ein paar Trainingswochenenden mit dem DSV stehen noch an und vielleicht auch ein Wintertrainingslager in Frankreich, der Hochburg des Hochseesegelns. Bis dahin haben Max und ich auf der Suche nach Sponsoren aber erstmal noch einiges an Papierkram zu erledigen!
Lena Weißkichel (SVGroßenheidorn)
Fotos: Kassian Jürgens