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Novellierung der Nordsee-Befahrensverordnung geplant

Wer die küstennahe Nordsee befährt, bewegt sich in einem tidegeprägten Gewässer. Dabei gelten nicht nur navigatorisch besondere Herausforderungen – man befährt auch die Wattenmeer-Nationalparks von Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen. Mit Rücksicht hierauf gelten die besonderen Regelungen der Verordnung über das Befahren der Bundeswasser- straßen in Nationalparken im Bereich der Nordsee (NPNordSBefV), eine Bundesver- ordnung in Zuständigkeit des Bundesminis- teriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI). Sie ist Grundlage für die Ausweisung von Robben- und Vogelschutzgebieten, von Geschwindigkeitsbeschränkungen sowie von zeitlichen Einschränkungen zum Befahren insbesondere der schutzintensivsten Zone 1 der jeweiligen Nationalparks. Die geltende Verordnung stammt im Wesentlichen aus dem Jahr 1992. Seitdem wurden Grenzen der drei deutschen Wattenmeer-Nationalparks verändert. Neben diesen Änderungen erfordert auch die Dynamik des Wattenmeeres mit sich verlagernden Prielen und Sänden eine Anpassung von Lage und Zuschnitt der Robben- und Vogelschutzgebiete.

Manch anderes – wie die so genannte „Drei-Stunden-Regelung“ vor und nach Hochwasse – hat sich in der Praxis als schwer handhabbar erwiesen. In einem neuerlichen Anlauf haben sich daher die drei Küstenländer schließlich auf eine Novellierungsinitiative verständigt und dem BMVI im Mai 2017 einen gemeinsamen Entwurf zur Anpassung der NPNordSBefV übermittelt, wobei nach weiterer Beteiligung niedersächsischer Wassersportkreise noch im Sommer eine Nachlieferung des Kartenwerks durch das Land erfolgte. Das BMVI als „Herr“ des Novellierungsverfahrens hat den Ländern im November 2017 mitgeteilt, dass die Bearbeitung einer Neufassung nun aufgenommen werden könne und nach dem bereits erfolgten Abstimmungsprozess mit den Betroffenen noch verbliebene Konflikt- punkte im Verordnungsgebungsverfahren zu lösen seien. Dem Länderentwurf vorausgegangen waren in Niedersachsen über Jahre umfassende Gesprächsrunden mit Wassersport- und Naturschutzverbänden sowie Behörden, um einen möglichst tragfähigen Kompromiss vorzubereiten. Auch Landesfachverbände des LandesSportBun- des (LSB)Niedersachsen haben sich hieran beteiligt.

Der Entwurf der Länder hält an der Struktur der geltenden NPNordSBefV fest. In den vorangegangenen Gesprächsrunden wurden alle Robben- und Vogelschutzgebiete flächenmäßig einer Revision unterzogen. Einige Gebiete sollen wegfallen, weitere wie fünf Seegraswiesenbereiche im Flach- wasser hinzukommen, der konkrete Zuschnitt jeweils angepasst werden. Da sich die Schutzziele in vielen Fällen überdecken, soll künftig einheitlich von „Besonderen Schutzgebieten“ gesprochen werden. In ihnen ist wie bisher das Befahren außerhalb ausgewiesener Fahrwasser saisonal oder ganzjährig untersagt. Neu eingeführt werden sollen traditionelle, „zweckgebundene Fahrwasser“, die zusätzlich zu ausgewiesenen Fahrwassern von bestimmten Nutzergruppen wie Seekajakfahrern beansprucht werden können.

Im Wesentlichen unverändert in die NPNordSBefV übernommen werden sollen die gegenwärtig länderspezifischen Regelungen zum Kitesurfen. Zur Geschwindigkeitsregelung schlagen die Länder die Einführung einer „Trennlinie“ vor, die entlang der Inselkette (Basislinie) den küstennahen inneren von einem küstenfernen äußeren Bereich trennt. Nach 1992 wurden nämlich in die Nationalparks größere Meeresbereiche jenseits der Inseln einbezogen. Außerhalb der küstennahen, ökologisch sensibleren Wattenmeerbereiche können in den seewärtigen Gebieten höhere Geschwindigkeiten zugelassen werden. Zum Befahren der Schutzzone 1 der jeweiligen Nationalparks gilt bisher, dass sie nur drei Stunden vor und nach Hochwasser befahren werden darf. Das hat sich als unpraktikabel erwiesen: der Scheitelpunk bzw. Zeitpunkt des Hochwassers unterliegt kleinräumigen Verschiebungen, Verstöße waren kaum zu überprüfen. Auch daher soll diese Regelung entfallen und das Befahren in der Fläche künftig allein über die Zuschnitte der „Besonderen Schutzgebiete“ geregelt werden.

Diese liegen zwar regelmäßig innerhalb einer Zone 1, von den jeweiligen Nationalpark-Festsetzungen wären sie jedoch künftig systematisch entkoppelt. Für die Schifffahrt hätte das den Vorteil, sich allein nach den Vorgaben der NPNordSBefV selbst richten und nicht mehr die jeweiligen Nationalparkzonen nachvollziehen zu müssen. Die „Musik“ spielt also bei der Festlegung der „Besonderen Schutzgebiete“. Die Herausforderung – der sich die Naturschutzbehörden zu stellen hatten und das BMVI noch zu stellen hat – ist, diese „Besonderen Schutzgebiete“ so zu gestalten, dass einerseits der Schutz der Natur ebenso gewahrt bleibt wie möglichst weitgehend die Interessen des Wassersports zu berücksichtigen. Die Befahrensregelung muss also den vorrangigen Schutz des Wattenmeers – anerkannt als UNESCO-Weltnaturerbe – vorbildlich flankieren. Hierauf ist im weiteren Novellierungsverfahren zu achten. In dem Vorschlag der Länder sind es nur wenige Bereiche gewesen, zu denen unter den beteiligten Interessengruppen kein Konsens erzielt werden konnte. Dies lässt auf eine zügige Anpassung der NPNordSBefV hoffen, die aus Sicht aller Beteiligten dringen wünschenswert ist. Ermutigend ist, dass die Nationalparkverwaltung für den niedersächsischen Bereich zugesagt hat, mit den Wassersportkreisen im Dialog zu bleiben.

In diesem Kontext sind erfreulicherweise verschiedene Beiträge hervorzuheben, die Wassersportler für den Schutz der Natur und einzelner Arten bereits im Küstenrevier leisten, ob es Meldungen von Schweinswal-Sichtungen und Ölverschmutzungen oder jährliche Müllsammelaktionen auf Inseln sind: Diese Aktivitäten helfen mit, das einzigartige Wattenmeer als erlebbares Natur- gebiet zu erhalten.

Holger Wesemüller Umweltbeauftragter im Segler-Verband Niedersachsen e. V.